Veröffentlicht am 6. Februar 2025
In einem kürzlich in Inventiones mathematicae veröffentlichten Artikel stellen unsere Direktorin Anna Wienhard und Olivier Guichard von der Universität Straßburg einen neuen mathematischen Ansatz vor, der die wegweisende Theorie der totalen Positivität in gespaltenen reellen halbeinfachen Lie-Gruppen verallgemeinert und ihre Anwendbarkeit auf eine breitere Klasse von Lie-Gruppen erweitert.
Eine Matrix ist total positiv, wenn alle ihre Minoren positiv sind. Total positive Matrizen wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführt und spielen eine wichtige Rolle in verschiedenen Bereichen der Mathematik, von der Graphentheorie, über stochastische Prozesse und Spieltheorie bis hin zu elektrischen Netzwerken und Physik.
Die Theorie wurde von George Lusztig weitreichend verallgemeinert, indem er das Konzept total positiver Halbgruppen für eine allgemeine gespaltene reelle einfache Lie-Gruppe einführte. Lusztigs Theorie der totalen Positivität hat großen Einfluss auf die Darstellungstheorie und Kombinatorik gewonnen. Aufbauend auf dieser grundlegenden Arbeit bietet das neue Konzept der ϴ-Positivität eine einheitliche Theorie der Positivität, die sowohl Lusztigs totale Positivität in gespaltenen reellen Lie-Gruppen als auch die Theorie der Lie-Halbgruppen in Lie-Gruppen vom hermiteschen Typ umfasst.
Die Studie identifiziert vier Familien einfacher Lie-Gruppen, die positive Strukturen zulassen. Zwei dieser Familien stellen bahnbrechende Entdeckungen dar, da für sie bislang keine positiven Strukturen bekannt waren.
Anwendungen und breitere Auswirkungen
Die Motivation für diese Arbeit stammt aus der höheren Teichmüller-Theorie, insbesondere aus der Untersuchung von Hitchin- und maximalen Darstellungen. Die Positivität liefert nun eine vereinheitlichende Grundstruktur für höhere Teichmüller-Räume und eröffnet neue Möglichkeiten für Vermutungen und Theorien, von denen einige bereits in nachfolgenden Arbeiten der Autoren und anderer Forscher bewiesen wurden. In ihrer einfachsten Form ersetzt diese Theorie die Halbgruppe der positiven reellen Zahlen durch die Halbgruppe der positiv definiten symmetrischen Matrizen.
Die Verallgemeinerung der Positivität hat weitreichende Auswirkungen. Sie bietet eine neue Perspektive auf hermitesche Lie-Gruppen vom Tuben-Typ, aber auch neue tiefgreifende Verbindungen zur Darstellungstheorie, zu (nicht-kommutativen) Clusteralgebren und zu speziellen Klassen supersymmetrischer Quantenfeldtheorien in der Physik.
Originalpublikation
Guichard, Olivier & Wienhard, Anna (2025): Generalizing Lusztig’s total positivity, Inventiones mathematicae. 2025, DOI: 10.1007/s00222-024-01303-y
Originalpublikation in Inventiones mathematicae
Informationen zur Forschungsgruppe “Geometry, Groups, and Dynamics”
Persönliche Website von Olivier Guichard / IRMA Straßburg